Eine*r von den Elf erzählt

Hi,
Ich bin eine*r von den Elf und ich erzähle heute hier von meinen Erfahrungen, weil ich, anders als andere, die Möglichkeit dazu habe. Sie befinden sich noch in U-Haft- sind zum Schweigen gezwungen. 5 Tage lang habe ich ihr Schicksal geteilt. Musste aushalten gedemütigt und schikaniert zu werden. Ich habe erfahren, wie es sich anfühlt, wenn Menschen dir von Anfang an ohne jeden Respekt gegenüber treten. Wie privilegiert ich wohl bin, wenn das für mich nicht Alltag ist.

Die Macht des Staates wurde bestmöglich demonstriert: mit Handschellen abgeführt; bei der Durchsuchung ruppig gegen einen Stromkasten gestoßen; mir wurden etliche Kleidungsstücke entwendet bis ich bibbernd in der Kälte stand.
Die ersten Tage waren für mich besonders schwer. Wir wurden nacheinander in unterschiedliche Gefangensammelstellen gefahren. Die Gruppe wurde getrennt. Wir blieben zu zweit. Essen gab es nur selten und nur auf mehrmaliges Nachfragen und infolgedessen stundenlangem Warten. Es war unsicher, wie es mit uns weiter geht. Dass ich einem/einer Haftrichter*in vorgeführt werden sollte, erfuhr ich auf der Fahrt zum Gericht. Ich erinnere noch, wie sich schon nach etwa 24 Stunden Gefangenschaft ein Gefühl der Resignation einstellte. Ich fühlte mich ausgeliefert und gebrochen.
Daran änderte sich auch in der Justizvollzugsanstalt nichts. Das Personal war stark unterbesetzt und auf Bitten folgten nur selten Handlungen. Besonders frustrierend war dies in Bezug auf den telefonischen Kontakt zu meinem Anwalt: 2 Tage lang versuchte ich mit meinem Anwalt Kontakt aufzunehmen, jedoch wurde mir immer gesagt, dass derzeit niemensch Vorort sei, der das Gespräch überwachen könnte und daher kein Telefonat möglich sei.
Die meiste Zeit saß ich einfach vorm Fenster. Ich hatte Glück: Meine Zelle lag Richtung Hof. In meiner Einsamkeit tat es gut, mehrere Stunden des Tages anderen Gefangenen beim Hofgang zu zuschauen. Ein*e Aktivist*in meinte während eines Hofgangs zu mir: “Hier zu sein fühlt sich an wie eine Depression. Nichts, was du tust, bringt dir Freude.”

Jetzt bin ich raus, aber mein Haftbefehl wurde nicht aufgehoben. Ich bin lediglich von dessen “Vollzug verschont”, solange ich mich alle zwei Tage bei dem für meinen Wohnort zuständigem Polizeirevier melde und den Dannenröder Forst nicht betrete. Begründet wird dies mit Fluchtgefahr. Nach Aussage mehrer Anwält*innen: komplett konstruiert. Personalien liegen ja vor. Trotzdem schränkt die Staatsanwaltschaft mit ihren Auflagen weiterhin drastisch meine Freiheit ein. Ich fühle mich unfair behandelt.

Der Staat wendet an uns Elf Mittel an, die normalerweise nur bei sehr viel extremeren Strafvorwürfen angewandt werden. Das Agieren der Judikative ist hier komplett unverständlich. Daher fordern wir die Freilassung der Inhaftierten und eine generellen Aufhebung der Haftbefehle – ohne weitere freiheitsbeschränkende Auflagen.
Freiheit für uns Elf.

Für eine fairere Welt und ein menschlicheres Miteinander.

Als Audio bei Soundcloud: https://soundcloud.com/user-634739516/einer-von-den-elf-erzahlt

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Hi,
I am one of the eleven and I am telling you about my experiences here today because, unlike many others, I have the opportunity to do so. They are still in custody – they are forced to remain silent. For 5 days I shared their fate. Had to endure being humiliated and harassed. I experienced what it feels like when people treat you without any respect from the very beginning. How privileged I must be if this is not everyday life for me.

The power of the state was demonstrated in the best possible way: I was taken away in handcuffs; during the search I was roughly knocked against an electrical box; several pieces of clothing were taken from me until I stood shivering in the cold.
The first few days were especially hard for me. We were driven one after the other to different prison collection points. The group was separated. We remained in pairs. Food was only available rarely and only after several requests and, as a result, hours of waiting. It was uncertain how things would go on with us. On the way to the court I learned that I was to be presented to a judge. I still remember how a feeling of resignation arose after about 24 hours of captivity. I felt delivered and broken.
This did not change in the prison either. The staff was severely understaffed and actions rarely followed requests. This was particularly frustrating when it came to telephone contact with my lawyer: for 2 days I tried to contact my lawyer, but was always told that at the moment there was no one on site who could monitor the conversation and therefore no telephone call was possible.
Most of the time I just sat outside the window. I was lucky: my cell was facing the yard. In my loneliness it was good to watch other prisoners walking around the yard for several hours a day. One activist said to me during a yard exercise: “Being here feels like a depression. Nothing you do, brings you joy.

Now I’m out, but my arrest warrant was not revoked. I am merely spared from its “execution” as long as I report to the police station responsible for my place of residence every two days and do not enter Dannenröder Forst. The reason given for this is the danger of escaping. According to several lawyers: completely constructed. Personal details are available. Nevertheless, the public prosecutor’s office continues to drastically restrict my freedom with its conditions. I feel treated unfairly.
The state is using methods against us eleven people that are normally only used for much more extreme criminal charges. The action of the judiciary is completely incomprehensible here. That is why we are calling for the release of the imprisoned and for a general lifting of the arrest warrants – without further freedom-limiting conditions.
Freedom for us eleven.

For a fairer world and a more humane coexistence.