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Einige Gedanken/ erster Erfahrungsbrericht von UP14

Hallo ihr Lieben,

ich wurde am 1.12.20 aus der JVA III entlassen, nachdem ich mich zusammen mit meinen Genoss*innen in U-Haft dazu entschieden hatte, meine Personalien anzugeben. Das ist nichts, mit dem ich mich brüsten will, es erschien uns aber in dieser Situation die beste Option und ich finde das sollte kommuniziert werden. Damit sind meines Wissens nach noch mindestens 4 Menschen aus dem Danni-Kontext in U-Haft. UP18 in der JVA I und UP1, UP9 und UP6 in der JVAIII. Für mich hat diese Zeit vorerst ein Ende, aber für diese Menschen (und auch die anderen Menschen, die hinter den Mauern sitzen und warten) dauert es an. Oder bleibt die Zeit immer noch stehen. Ich habe mich für die Personalienangabe entschieden, stehe aber vorbehaltlos hinter den Entscheidungen der noch eingeknasteten UPs! Egal, welche Entscheidungen sei jetzt oder später treffen, ich bin solidarisch mit ihnen.

Es ist mir sehr wichtig, das einmal aufgeschrieben zu haben, weil ich viel mit Fragen bezüglich meiner Entscheidung konfrontiert werde, und ich nicht will, dass das in irgendeiner Art und Weise Menschen unter Druck setzt!

Seitdem ist schon fast eine Woche vergangen und langsam ebbt die Euphorie des Türen-selbstständig-öffnen-können ab und es stellen sich sehr verwirrende Gefühle ein. Ich bin sehr leicht reizbar und überfordert und habe trotzdem das Gefühl ganz viel in möglichst kurzer Zeit nachholen zu müssen. Ich denke, das ist normal.

In der JVA hatte ich eine kleine Zelle mit PVC Boden, Schreibtisch, Stuhl, separater Nasszelle und Pritsche. Die Wand in meiner ersten Zelle war rosa und einige Menschen vor mir hatten mit Kugelschreiber Strichlisten auf der Farbe geführt. Noch so ein Klischee. Es wird für die Dauer der Quarantäne ein Fernseher zur Verfügung gestellt, damit du auch ja stillgeschaltet und betäubt bist, während du 23 Stunden des Tages auf vielleicht 3 qm verbringst. Das Schönste an dieser Zeit war, dass ich mit 7 und 8 über den Hof hinweg quatschen konnte. Da haben wir auch andere Mitgefangene kennen gelernt. Teilweise war es richtig schlimm, die Menschen laut weinen und zusammenbrechen zu hören und physisch daran gehindert zu werden ihnen nahe zu sein.

Ich weiß noch, dass sich die Tage wir Kaugummi zogen, als einziger Lichtblick am Tag die kurzen Gespräche über den Hof und die eine Stunde Hofgang, die wir auch teilweise isoliert verbringen mussten.

Als dann die ersten Briefe kamen und wir die erste Demo hörten und auch sahen, keimte leise Hoffnung wieder auf. „Ihr seid nicht allein“ riefen die Leute vor der Mauer und „Freiheit für alle Gefangenge!“. Da haben sich auf einmal viele Mitgefangene aus ihren Fenstern gelehnt und nach „Freiheit“ gerufen. Das Wissen, dass es einige Menschen interessiert, was mit uns passiert, das plötzlich wieder präsente Wissen, dass es Menschen gibt, die das System Knast genauso beschissen finden wie ich, hat mir unglaublich viel Kraft und Mut gegeben. Jede Rakete die über die Mauer flog, machte das Leben so viel erträglicher.

Bei den Briefen habe ich mich sehr darüber gefreut, wenn berichtet wurde, was das Schreibende so herumtreibt, mit was für Aufgaben es konfroniert ist, was mich dann auch zur Reflexion anregte. Auch Yoga-anleitunden, kleine Rätsel und schöne Gedichte und Geschichten waren bei mir persönlich sehr willkommen und ich war (und bin) sehr gerührt von der vielen Solidarität, obwohl das ganze Ausmaß ja erst später klar wurde…

Das vieles irgendwie erträglich war heißt nicht, dass die Haftbedingungen nicht teilweise absolut albtraumhaft waren und für die Menschen drinnen immer noch sind.

Am schlimmsten traf es mich, als keine Briefe von außen mehr zugestellt wurden. Eine Woche lang war einfach schweigen und ich machte mir schon große Sorgen um einige Bezugsmenschen. Bis ich in ein Büro geleitet wurde, in dem mir ein sehr selbstüberzeugter Mensch versuchte zu erklären, dass es einfach zu viele Briefe sind und er keine Lust hätte die alle zu lesen. Außerdem würde ja irgendetwas mit dem Absender nicht stimmen, könnte ja wer-weiß-wer mir schreiben, wie soll der Staat das denn überwachen können. Nach zwei Wochen Funkstille wurden dann wieder Briefe ausgehändigt und Postkarten gezeigt. Ging anscheinend doch.

Derselbe, sehr von sich und der Wichtigkeit seines Berufes überzeugte Mensch erklärte mir die Woche zuvor, das wäre ja alles schön und nett, dass die Rote Hilfe uns Geld überwiesen hätte, das wäre aber nach kurzer Bedenkzeit der JVA (in der das Geld schon auf meinem Knastkonto schimmelte) wieder zurücküberwiesen worden. Zufällig kurz bevor der Einkauf stattfinden sollte und ich mir Lebensmittel holen wollte, da es teilweise den ganzen Tag über nur 6 Scheiben Brot (das war im Gegensatz zum Geld teilweise wirklich verschimmelt, no joke) gab, weil irgendwer keine Lust hatte, sich mit dem Thema „vegan“ und „gesunde Ernährung“ zu beschäftigen.

Aber das Geld hätte sie ja schon fast zu unserem Schutze zurückgewiesen, die Rote Hilfe sei nämlich ein vom Verfassungsschutz beobachteter Verein und der Kontakt mit extremistischen Vereinigungen ist verboten. Huch. Zwei Wochen später, nachdem dagegen geklagt wurde und uns rechtgegeben wurde, war es wieder auf dem Konto. Mit der Bemerkung des Richtenden, dass sich die JVA demnächst doch bitte an die Regeln halten sollte. Ging ja doch.

Nochmal zurück zur Post: Danke, danke, danke an all die Menschen, die geschrieben haben. Bitte schreibt fleißig weiter an die Menschen, die noch sitzen und warten, vielleicht kommt ja der ein oder andere Brief durch und sprengt ein Loch in die graue Mauer mit dem Stacheldraht. Hier ist ein Foto von all den Briefen die ich insgesamt erhalten habe. 80% davon wurden mir allerdings erst bei meiner Entlassung ausgehändigt! Unverschämt.

Im Nachhinein entdeckte ich einige Briefe mit Glitzer von denen auch ein guter Teil ungeöffnet war.

Briefe mit Glitzer kommen zwar nicht durch, aber ich lebe für das Gesicht von dem Zensor, wenn der ganze Tand auf dem Schreibtisch landet.

Seid weiter laut und widerständig! Ob im Danni, vor der JVA oder anderswo! 

Das Problem ist nicht, dass Klima/Kletteraktivist*innen eingeknastet werden, das Problem ist, dass es so etwas wie Knäste gibt!

Hier ein Interview mit “Lola” im neuen Deutschland zu den 5 Wochen U-Haft

English translation will follow, but will follow tomorrow (8.12.20)

Eine*r von den Elf erzählt

Hi,
Ich bin eine*r von den Elf und ich erzähle heute hier von meinen Erfahrungen, weil ich, anders als andere, die Möglichkeit dazu habe. Sie befinden sich noch in U-Haft- sind zum Schweigen gezwungen. 5 Tage lang habe ich ihr Schicksal geteilt. Musste aushalten gedemütigt und schikaniert zu werden. Ich habe erfahren, wie es sich anfühlt, wenn Menschen dir von Anfang an ohne jeden Respekt gegenüber treten. Wie privilegiert ich wohl bin, wenn das für mich nicht Alltag ist.

Die Macht des Staates wurde bestmöglich demonstriert: mit Handschellen abgeführt; bei der Durchsuchung ruppig gegen einen Stromkasten gestoßen; mir wurden etliche Kleidungsstücke entwendet bis ich bibbernd in der Kälte stand.
Die ersten Tage waren für mich besonders schwer. Wir wurden nacheinander in unterschiedliche Gefangensammelstellen gefahren. Die Gruppe wurde getrennt. Wir blieben zu zweit. Essen gab es nur selten und nur auf mehrmaliges Nachfragen und infolgedessen stundenlangem Warten. Es war unsicher, wie es mit uns weiter geht. Dass ich einem/einer Haftrichter*in vorgeführt werden sollte, erfuhr ich auf der Fahrt zum Gericht. Ich erinnere noch, wie sich schon nach etwa 24 Stunden Gefangenschaft ein Gefühl der Resignation einstellte. Ich fühlte mich ausgeliefert und gebrochen.
Daran änderte sich auch in der Justizvollzugsanstalt nichts. Das Personal war stark unterbesetzt und auf Bitten folgten nur selten Handlungen. Besonders frustrierend war dies in Bezug auf den telefonischen Kontakt zu meinem Anwalt: 2 Tage lang versuchte ich mit meinem Anwalt Kontakt aufzunehmen, jedoch wurde mir immer gesagt, dass derzeit niemensch Vorort sei, der das Gespräch überwachen könnte und daher kein Telefonat möglich sei.
Die meiste Zeit saß ich einfach vorm Fenster. Ich hatte Glück: Meine Zelle lag Richtung Hof. In meiner Einsamkeit tat es gut, mehrere Stunden des Tages anderen Gefangenen beim Hofgang zu zuschauen. Ein*e Aktivist*in meinte während eines Hofgangs zu mir: “Hier zu sein fühlt sich an wie eine Depression. Nichts, was du tust, bringt dir Freude.”

Jetzt bin ich raus, aber mein Haftbefehl wurde nicht aufgehoben. Ich bin lediglich von dessen “Vollzug verschont”, solange ich mich alle zwei Tage bei dem für meinen Wohnort zuständigem Polizeirevier melde und den Dannenröder Forst nicht betrete. Begründet wird dies mit Fluchtgefahr. Nach Aussage mehrer Anwält*innen: komplett konstruiert. Personalien liegen ja vor. Trotzdem schränkt die Staatsanwaltschaft mit ihren Auflagen weiterhin drastisch meine Freiheit ein. Ich fühle mich unfair behandelt.

Der Staat wendet an uns Elf Mittel an, die normalerweise nur bei sehr viel extremeren Strafvorwürfen angewandt werden. Das Agieren der Judikative ist hier komplett unverständlich. Daher fordern wir die Freilassung der Inhaftierten und eine generellen Aufhebung der Haftbefehle – ohne weitere freiheitsbeschränkende Auflagen.
Freiheit für uns Elf.

Für eine fairere Welt und ein menschlicheres Miteinander.

Als Audio bei Soundcloud: https://soundcloud.com/user-634739516/einer-von-den-elf-erzahlt

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Hi,
I am one of the eleven and I am telling you about my experiences here today because, unlike many others, I have the opportunity to do so. They are still in custody – they are forced to remain silent. For 5 days I shared their fate. Had to endure being humiliated and harassed. I experienced what it feels like when people treat you without any respect from the very beginning. How privileged I must be if this is not everyday life for me.

The power of the state was demonstrated in the best possible way: I was taken away in handcuffs; during the search I was roughly knocked against an electrical box; several pieces of clothing were taken from me until I stood shivering in the cold.
The first few days were especially hard for me. We were driven one after the other to different prison collection points. The group was separated. We remained in pairs. Food was only available rarely and only after several requests and, as a result, hours of waiting. It was uncertain how things would go on with us. On the way to the court I learned that I was to be presented to a judge. I still remember how a feeling of resignation arose after about 24 hours of captivity. I felt delivered and broken.
This did not change in the prison either. The staff was severely understaffed and actions rarely followed requests. This was particularly frustrating when it came to telephone contact with my lawyer: for 2 days I tried to contact my lawyer, but was always told that at the moment there was no one on site who could monitor the conversation and therefore no telephone call was possible.
Most of the time I just sat outside the window. I was lucky: my cell was facing the yard. In my loneliness it was good to watch other prisoners walking around the yard for several hours a day. One activist said to me during a yard exercise: “Being here feels like a depression. Nothing you do, brings you joy.

Now I’m out, but my arrest warrant was not revoked. I am merely spared from its “execution” as long as I report to the police station responsible for my place of residence every two days and do not enter Dannenröder Forst. The reason given for this is the danger of escaping. According to several lawyers: completely constructed. Personal details are available. Nevertheless, the public prosecutor’s office continues to drastically restrict my freedom with its conditions. I feel treated unfairly.
The state is using methods against us eleven people that are normally only used for much more extreme criminal charges. The action of the judiciary is completely incomprehensible here. That is why we are calling for the release of the imprisoned and for a general lifting of the arrest warrants – without further freedom-limiting conditions.
Freedom for us eleven.

For a fairer world and a more humane coexistence.